Generalanwalt des EuGH: Europäische Daten in die USA geht gar nicht

onleihe:hilfe
Aktuelle Meldungen finden Sie stets auf der :hilfeseite für die Onleihe.

  • Der Generalanwalt des EuGH ist so etwas wie ein Gutachter. Er guckt sich alles an und gibt dann den Richtern eine Entscheidungsgrundlage. Meistens verlassen sich die Richter darauf. Heute gibt es die Stellungnahme des GA online, hier die Pressemitteilung dazu. Nehmt euch die Zeit, es durchzulesen, da sind einige gewaltige Klatschen drin ;)


    Kurzversion: Die EU-Kommission hätte gar nicht die USA als "sicheren Hafen" für Daten bezeichnen dürfen, weil das Grundrecht auf gerichtlichen Rechtschutz nicht gewährleistet ist, die Bürger können gar nicht erst klagen. Selbst wenn sie hätte dürfen, wäre es völlig gleichgültig, weil die nationalen Datenschutzbehörden unabhängig sind und selbst entscheiden müssen. Und diese nationalen Behörden könnten nur entscheiden, daß die USA kein "sicherer Hafen" seien, weil die USA ohne Rücksicht auf Verluste und Grundrechte alles abschnorcheln. Da die USA und dort beheimatete Firmen nicht von den Datenschutzbehörden kontrolliert werden können, können sie aber auch keine andere Entscheidung treffen, so daß es gar keine "sicheren Häfen" in den USA geben kann.


    Sollte das Gericht der Argumentation folgen, machen sich Firmen strafbar, die Daten aus der EU heraus- und in die USA hineinschaffen. Und nicht nur die USA, auch alle anderen Nicht-EU-Staaten wären betroffen. *WAMM* Wir reden von Strafen in Höhe von 5% des Gesamt(!)umsatzes.

  • Danke für den interessanten Link. Ich werde es mir heute Abend mal genau durchlesen, aber da liegt ja wohl jede Menge Zündstoff drin.

  • jede Menge Zündstoff


    Wenn das Gericht der Argumentation folgt, ja :evil: Ich stelle mal den Champagner kalt, vielleicht habe ich ja vor Neujahr noch Grund ;)


    Hihi, das letzte Mal war ich 2008 so aufgeregt, als wir ein neues Grundrecht bekommen haben :)

  • Sieht so aus, als hätten die Lobbyisten diverser Firmen die US-Regierung in Marsch gesetzt. Jedenfalls haben die USA heute eine offizielle Stellungnahme zu dem Gutachten des GA veröffentlicht.


    TL;DR: Der irische Gerichtshof, der festgestellt hatte, daß die Massenüberwachung sämtlicher Daten durch die USA "unstreitig" sei, hätte gar nicht selber nachgeguckt. Es sei ja öffentlich sichtbar gewesen, daß es eben nicht unstreitig sei. In Wirklichkeit hätten die USA niemals eine Komplettüberwachung durchgeführt, sondern nur spezifische Ziele angepeilt. Und Obama hat doch versprochen, daß in Zukunft auch die Befindlichkeiten aller Menschen respektiert würden. Derzeit verhandelten die USA und die EU über "Safe Harbour" und das Gericht würde diese Verhandlungen nicht fördern. Am schlimmsten aber sei, daß man sich ja nicht auf Verträge mit der EU verlassen könne, wenn das Gericht sie über Bord werfe.


    Es stimmt natürlich, daß die USA immer versichert haben, sie zielten nur auf bestimmte Personen. Aber zu diesem Zweck sammeln sie trotzdem alles, sie behaupten nur, sie benutzten die Daten nicht. Wobei "benutzen" so ungefähr bedeutet: Drohne mit Bombe losschicken. Was Obamas Versprechungen angeht, so bemängelt der GA ja gerade, daß es bei leerem Bla bleibt und es keinen wirksamen Rechtschutz gibt. Es geht natürlich gar nicht, daß die USA mit jemandem Verträge macht und Gerichte überprüfen, ob diese Verträge auch geltendem Recht genügen. Da ist es nur verständlich, daß sie dann gar nicht mehr verhandeln wollen ;)


    Das Gericht hat sein Urteil für nächsten Dienstag, 6. 10., angekündigt. Die Spannung steigt :)

  • Danke. Ich hab's auch gerade gelesen und feiere... :thumbup:

  • Update: Links und das Urteil im Volltext.
    Heise zum Urteil, Heise zur Bewertung für europäische Unternehmen, Volltext des EuGH.


    Wow, da werden aber einige Firmen jetzt hektisch werden. Wer Android-Handys oder iPhones als Firmenhandys einsetzt, muß jetzt richtig Gas geben, sonst wird's teuer.


    Vielleicht gibt es auch ein paar neue Unternehmen in Europa, denn Firmen wie Facebook, Apple, Google und Microsoft sitzen jetzt zwischen allen Stühlen. In den USA drohen ihnen Strafen, wenn sie die Daten nicht herausrücken, in Europa, wenn sie es tun. Microsoft hat da schon vorgearbeitet und hat passende Rechenzentren und Firmen-Gerüste. Bei den anderen weiß ich von nichts in der Art.

  • Microsoft. Allerdings nur, wenn es um die schnellste Übergangslösung geht ;)


    Heise berichtet:

    Zitat

    Nicht erst seit Safe Harbor gibt es einen Markt für Clouddienste, bei denen die Daten nicht auf die ganze Welt verteilt werden. Microsoft will das mit zwei deutschen Rechenzentren und einem nicht unbekannten “Datentreuhänder” realisieren.
    Mit zwei Rechenzentren in Deutschland will Microsoft künftig Cloud-Dienste für datenschutzbewusste Kunden anbieten. Deren Daten werden ausschließlich in den von der Telekom als “Datentreuhänder” betriebenen Rechenzentren in Frankfurt/Main und Magdeburg gespeichert und verarbeitet, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Demnach findet
    eine Übertragung der Daten in andere Rechenzentren nicht statt. Im zweiten Halbjahr 2016 will Microsoft mit Azure aus den deutschen Rechenzentren loslegen, danach sollen die weiteren Cloud-Dienste wie Office 365 oder Dynamics CRM folgen. (Quelle: Heise)


    Nicht ungeschickt. Damit entzieht sich Microsoft wahrscheinlich auch geschickt den US-amerikanischen Schnüffelgesetzen, wenn sie die Datenzentren technisch und juristisch von sich selbst abkoppeln. Ich bin schon gespannt, was da als nächstes passiert :)