Ich habe gerade "Melaten Macchiato" gelesen und diesmal habe ich eher einen Verriß als eine Empfehlung
Inspiriert ist der Krimi angeblich von einer wirklichen Geschichte. Außerdem firmiert er unter Regionalkrimi, diesmal Köln.
Sprachlich merkt man ihm deutlich an, daß der Autor selbst Polizist ist. Die Dialoge sind teilweise gestelzt und oft bemüht. Das Fachvokabular liefert eine gewisse Authentizität - nicht immer zur besseren Lesbarkeit. Für das Lokalkolorit sorgen die fleißige Erwähnung von Örtlichkeiten; scheinbar aber wenigstens die des Autors, nicht nur die der Touristeninformation. Außerdem gibt es eine Kölsch sprechende "schrille" Taxifahrerin. Ein längerer Dialog zwischen ihr und einer Verwandten aus dem Ruhrpott ist ganz amüsant geschrieben, dient aber hauptsächlich der Wiedergabe von Vorurteilen über Hartz-IV-Bezieher und wirkt kontextlos.
Das Interessanteste an dem Buch ist, daß dem Autor sehr an einer Apologie seiner Arbeit gelegen ist, vor allem bezüglich der Überwachung der Bürger. Und hier wird - für mich - das Buch durchaus spannend. Natürlich hört man die alten und widerlegten Argumente von "Datenschutz ist Täterschutz" und "Wenn man nichts zu verbergen hat". Neu ist:
ZitatAls ob die Ermittlungsbehörden das aus Spaß an der Freud machen würden! Wir sind schließlich nicht die NSA.
(entschuldigt mich kurz, ich muß mal kotzen; bei der NSA ist das drohnentödlicher Ernst). In dem Buch wird dann auch ein Opfer(!) abgehört, werden Stille SMS geschickt und was der Dinge mehr sind. Fleißig wird auf Proxies und VPNs geschimpft. Und Dienste wie Trashmail (namentlich benannt) werden als eigentlich ganz nützlich gegen Spam bezeichnet, aber in Wahrheit dienen sie nur den Tätern und die Betreiber sind Komplizen.
Alles recht ausführlich. Am Ende fällt dem Autor aber doch die Realität, die er sich zum Vorbild genommen hat, auf die Füße: Obwohl die Polizei alle Mittel einsetzt, trägt nichts davon zur Aufklärung bei. So auch nachzulesen in den Statistiken.
Ein gekürztes Beispiel:
ZitatAlles anzeigen"Wie sieht es denn mit Fotos aus? Gibt es brauchbare Bilder?“, wollte Häuser [der Kommissar] hoffnungsvoll wissen.
[Die Bankangestellte:]„Leider nein, Herr Häuser. Außer einer dunklen Kapuze sehen Sie gar nichts.“
„Auch nicht die Finger, Ringe, Narben oder sonst was markantes Auffälliges?“
„Tut mir leid, nein.“
„Gibt’s denn vielleicht auf der Videoüberwachungsanlage der Bank was zu sehen?“
„Auch das habe ich zur Sicherheit überprüft. Aber weder vor noch nach den Transaktionen hat ein Kunde die Bank betreten. Und die Kameras sind nur auf den Innenraum der Bank eingestellt. Wir dürfen nicht filmen, was draußen geschieht. Datenschutz.“
Häuser dachte sich seinen Teil zu dem aus seiner Sicht völlig überzogenen Datenschutz, der nur allzu oft „Täterschutz“ war. Er hatte noch nie akzeptiert, dass sich alle Welt so gegen Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen sträubte. Wenn man nichts zu verbergen hatte…
Nonchalant erklärt der gute Kommissar sämtliche Passanten zu Tätern oder doch zumindest zu Komplizen, die den Täter schützen, indem sie ihre eigene Würde wahren.
Kürzlich hatte ich auch noch einen anderen Roman aus dieser Reihe ("Kriminalistenroman" bzw "§211 Regionalkrimi"). Was die AgitProp angeht das gleiche Spiel.
Fazit. Leseempfehlung, falls ihr wissen möchtet, warum mindestens ein aktiver Polizist ein Problem mit euren Grundrechten hat.