Die Veröffentlichung des hier angewendeten Moderationskodex ist eine sehr positive Entwicklung. Der Disput der letzten Wochen hat sich schon deshalb gelohnt, weil nun transparent ist, nach welchen Kriterien moderiert wird.
Schön auch, dass man im Zuge dessen herausgefunden hat, wie man Threads teilen und zusammenführen kann. Sofern die Moderatoren ihr Handwerkszeug beherrschen, werden sie künftig hoffentlich seltener zur Löschkeule greifen.
(btw: wenn die Regeln bereits seit September 2015 gelten, bestanden die Möglichkeiten offenbar auch schon damals, wurden aber nicht angewendet. Meine Anmerkungen zur Moderationsqualität waren also berechtigt und hätten nicht gelöscht werden müssen. )
Ob die im Moderationskodex genannten Löschgründe einer juristischen Prüfung stand halten darf bezweifelt werden. Das Recht entwickelt sich weiter. In der von mir weiter vorne verlinkten Meldung zur Einstweiligen Verfügung gegen Facebook wird aufgezeigt, wohin die Reise geht. Auch die Rechtsauffassung in der EU neigt bei der Beurteilung der Löschmöglichkeiten von Websitebetreibern mehrheitlich zur Unterscheidung in solche Sites, auf denen der Nutzer kommentieren darf, ohne hierfür eine Gegenleistung erbringen zu müssen (aka "private Sites") und solchen, die im Rahmen eines Geschäftsmodells betrieben werden und bei denen der Nutzer in einer nicht untergeordneten Form eine Gegenleistung erbringen muss (aka "gewerbliche Sites").
Bei privaten Sites wird ein virtuelles Hausrecht anzunehmen sein, sodass selbst Gründe wie "unnötige Stichelei" ausreichend sein dürften, um eine Löschung zu rechtfertigen. Hier befindet man sich als Nutzer wirklich im sogenannten Wohnzimmer des Anbieters.
Anderes wird bei gewerblichen Sites anzunehmen sein. Hier befindet man sich eben nicht im Wohnzimmer, sondern in den virtuellen Geschäftsräumen des Betreibers. Dies führt dazu, dass die Moderatoren des Betreiber nicht willkürlich handeln können, sondern die weitergehenden Rechte der Nutzer beachten müssen.
Rechtswidrige Handlungen von Nutzern, insbesondere solche die strafrechtlich relevant sind, müssen nicht geduldet werden und können gelöscht werden (im Zeiten des NetzDG müssen sie es sogar).
Was hier ja besonders häufig genannt wird sind Beleidigungen als Löschgrund. Die Abwägung zwischen Schutz der Meinungsfreiheit einerseits und Strafbarkeit wegen Beleidigung ist nicht einfach, Gerichte beschäftigen sich seit langen Jahren damit. Man kann allen Moderatoren nur raten, sich damit auseinanderzusetzen und herauszufinden, so sich die Grauzonen befinden. Annanymous hat ein paar genannt. Nicht alles was als persönliche Kränkung aufgefasst wird, ist auch eine Beleidigung. Man mag das gut finden oder nicht, juristisch gibt es zahlreiche Fälle, bei denen sogar das Bundesverfassungsgericht sich klar auf die Seite der Meinungsfreiheit gestellt hat ("ACAB-Fall").
Klar ist jedoch, dass unbestimmte Begriffe wie "Respekt" oder "Stichelei" auf gewerblichen Sites nicht relevant sind, weil sie keine Rechtsbegriffe sind und damit nicht justiziabel. Man muss auch der Aldi-Mitarbeiterin keinen Respekt entgegenbringen, indem man sie freundlich grüßt und darf auch sagen, dass in der Obstabteilung ein heilloses Durcheinander herrscht und das für eine schlechte Leistung hält. Auch in drastischen Worten. Kritik ist nicht per se strafbar, es kommt auf die Umstände an.
Nun noch die Frage, ob das Userforum der Onleihe eine gewerbliche Site darstellt. Dies dürfte zu bejahen sein, weil hier überwiegend Supportleistungen für überwiegend zahlende Nutzer erbracht werden. Es handelt sich nicht um eine private Site von Usern für User, sondern von der divibib als Betreiber für die Kunden der vertraglich verbundenen Bibliotheken. Und da die allermeisten Bibliotheken öffentliche Einrichtungen (von Gemeinden) sind, dürften sogar öffentlich-rechtliche Bestimmungen anzuwenden sein, was das Eingriffsrecht von Moderatoren gegenüber privat-rechtlichen Bereichen nochmals beschneidet. In einem Rathaus gelten andere Regeln als in einem Aldi.
Moderatoren, beschäftigt euch mit dem was ihr dürft und was nicht und vertraut nicht auf den Kodex. Auch wenn im Ernstfall die divibib als Betreiber das Ziel einer juristischen Auseinandersetzung sein dürfte, man ist involviert und wird sich für sein Verhalten mit verantworten müssen. Das ist zumindest unangenehm.
Die Zeiten, dass man für gewerbliche Betreiber als Moderator kostenlos seine Zeit und Nerven zur Verfügung gestellt hat, sind angesichts der durch das NetzDG rechtlichen Unwägbarkeiten ohnehin vorbei. Wenn ich irgendwo beschäftigt bin will ich für meine Handlungen auch abgesichert sein durch eine betriebliche Haftpflicht und Rechtsschutz.
Dies nur als Tipp "von Moderator zu Moderator".