In einem anderen Thread hatten sich einige User an einem Erfahrungsbericht zu meinem kleinen Onyx Boox-Tablet mit eInk-Display (Poke 2) interessiert gezeigt. Den will ich hiermit nachreichen. Ich verzichte auf technische Spezifikationen usw, die man bei Interesse auch andernorts nachlesen kann.
Vorweg: Die Bezeichnung "eInk-Tablets" für diese Geräteklasse ist leicht misszuverstehen. Es handelt sich dabei um Lesegeräte wie andere Reader auch, mit dem Unterschied, dass sie aufgrund eines aktuellen Android-Betriebssystems und leistungsfähigerer Hardware deutlich erweiterte Möglichkeiten bieten. Sie sind genausowenig wie andere Reader zum Filmeschauen, Fotografieren oder Telefonieren gedacht (obwohl zwei dieser Dinge damit funktionieren, wenn man unbedingt will. Also nochmal: Es sind Reader. Bloß mit einem aktuellen Android als Betriebssystem. Die teureren Modelle mit Wacom-Funktionen sind dazu noch zum Schreiben und Zeichnen geeignet.
TL;DR-Zusammenfassung:
Pro: EInk-Display mit 300 ppi, Onleihe-App direkt auf dem Reader, sehr anpassbar und vielseitig, schick, leicht, günstiger Preis
Neutral: 6"-Display (mir ein bisschen zu klein, dafür handtaschenfreundlich)
Contra: kein Gyroskop, kein Widevine, keine Blättertasten, Google
Zur Hardware: Der Poke 2 ist ein schickes Gerät und hochwertig verarbeitet, dabei sehr leicht. Blättertasten gibt es keine. Wenn ich das Gerät genauso wie einen Reader benutze (offline und nur zum Lesen), ist die Akkudauer mit einem herkömmlichen Reader vergleichbar, mit eingeschaltetem WLAN und/oder hungrigeren Apps eher mit der eines normalen Tablets oder Smartphones. Es gibt leider kein Gyroskop (G-Sensor). Die Ausrichtung lässt sich zwar schnell umschalten, aber es ist trotzdem nicht dasselbe, finde ich. Das Display ist eInk-typisch angenehm, komplett plan, gut ausgeleuchtet, mit einem leicht helleren unteren Rand. Smartlight-Funktion. Es gibt keinen Lausprecher, man braucht Kopfhörer mit Bluetooth oder einen USB-Adapter.
Der für mich größte Vorteil ist, dass ich auf dem Android 9 die Onleihe-App sowie alternative Reader-Apps wie Pocketbook installieren kann, was das Herunterladen und Lesen einfach und komfortabel macht. Ich muss mich weder mit lahmen Reader-Browsern und umständlichen Logins herumärgern noch irgendwelche Dateien per Kabel übertragen. Außerdem läuft alles flüssiger als auf einem herkömmlichen Reader.
Zum Ausleihen, Herunterladen und Lesen von eBooks muss ich wohl nichts weiter erklären - es funktioniert genauso wie auf Tablets und Smartphones auch. Lediglich Hörbücher lassen sich in der Onleihe-App nicht abspielen, da es am Widevine-Modul für das DRM fehlt. Hörbücher ohne DRM laufen in dem vorinstalliertem Player problemlos. Getestet habe ich das aber nur mit einem minderwertigen Headset, weshalb ich zur Audioqualität nicht viel sagen kann.
Man kann alle Apps aus dem Play-Store installieren, der sich bereits auf dem Gerät befindet und nur noch aktiviert werden muss. Ebenfalls vorinstalliert ist der Appstore von Onyx, der allerlei Lese-, Bibliotheks- und Textverarbeitungs-Apps bietet. Die Onleihe-App war hier aber noch in der Vorversion enthalten.
Für unerfahrene Nutzer: Wer ein Smartphone oder Tablet mit Android bedienen kann, kommt definitiv auch mit einem Boox zurecht. Die Original-Oberfläche ist im Vergleich eher reduziert, aufs Lesen ausgerichtet und versteckt viele der Android-Funktionen im Hintergrund.
[Jetzt kommt der Teil für Nerds - all das muss man nicht machen, aber man kann ]
Ich habe auf den Playstore verzichtet und mir stattdessen den F-Droid-Store sowie den Aurora-Store (letzteren für die Onleihe-, Libby- und Pocketbook-App) installiert. Außerdem einen alternativen Launcher (Lawnchair), um meine gewohnte Oberfläche und ein Pocketbook-Widget zu haben, sowie eine Firewall für mehr Datenschutz.
Für die unkomplizierte Übertragung weiterer eBooks, Dokumente, Links usw. habe ich mir einen XMPP-Messenger (Conversations) installiert und dem Poke ein eigenes Konto eingerichtet, so dass ich von jedem anderen Gerät aus Sachen an den Poke schicken kann. Telefonieren kann man damit dann auch
Ein RSS-Reader (NiceFeed) erweitert meine Lektüre um Blogs und Nachrichten (per WLAN aktualisieren, offline lesen). Das empfinde ich gegenüber meinem Inkpad als echten Mehrwert.
Für nachinstallierte Apps gibt es ziemlich umfangreiche Anpassungsmöglichkeiten, damit diese auch auf einem eInk-Display gut aussehen. Meist sind Anpassungen aber nicht wirklich nötig.
Persönliches Fazit:
Den Poke 2 finde ich als vielseitigen Handtaschenreader optimal, zumal er mir das Gefummel mit der Übertragung der Onleihe-Bücher abnimmt, das mich auf dem Inkpad (Pocketbook) schon etwas nervt. Sind die Bücher erstmal auf dem Reader, finde ich mein Inkpad aber doch komfortabler, was vor allem an der Größe von 7,8", aber auch an den Blättertasten und am Gyroskop sowie dem Origami-Cover liegt. Der Vergleich ist allerdings ein bisschen unfair, da das Inkpad 3 Pro auch deutlich teurer ist - gehobene Mittelklasse vs. Einsteigermodell.
Ich könnte mir vorstellen, an einem größeren eInk-Tablet (dann mit Gyroskop und Wacom-Funktionalität) für Zuhause viel Freude zu haben.
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Ergänzung: Das aktuelle Android als Betriebssystem ist Vorteil und Nachteil zugleich. Vorteil, weil es so viele Möglichkeiten bietet, Nachteil wegen Google und Datenschutz. Ich würde empfehlen, es ohne Google-Konto und mit/hinter einer Firewall zu betreiben.
PS: In den nächsten Tagen werde ich noch ein paar Fotos/Screenshots nachliefern.